Kürzlich habe ich Åke Bengtsson kennengelernt. Und wie der Name schon vermuten lässt, kommt er aus Schweden. Stimmt nicht ganz, denn Åke, deutsch ausgesprochen Oke, ist eigentlich Niedersachse und hieß bis vor kurzem noch Olaf und mit Nachnamen Thomas. Als er 2015 zusammen mit seiner Frau Kathleen nach Schweden auswanderte, erfüllten sich die beiden einen Lebenstraum und fanden nach intensiver Suche sogar ein typisch rotes Schwedenhaus aus Holz mit weißen Ecken, Giebeln und Sprossenfenstern in Småland (Südschweden). Die kleine Gemeinde Tingsryd nahm die neuen Nachbarn herzlich auf und durch „Learning by doing“ erweiterten die beiden Deutschen schnell ihre anfangs recht marginalen Sprachkenntnisse. Ihre Consulting Agentur können sie sowieso von fast jedem Ort der Welt (online) führen und mit ihren drei Hunden genießen sie die weitläufige Natur mit Seen und Wäldern.
Das i-Tüpfelchen auf sein neues Leben setzte Olaf, jetzt Åke, mit seinem schwedischen Namen. Eine Novelle im schwedischen Gesetz zur Namensvergabe, die 2017 in Kraft trat, half ihm auf dem Weg, auch namentlich ein „echter“ Schwede zu werden. Damit wurde festgelegt, dass alle Personen, die in Schweden registriert sind, einen typisch schwedischen Namen beantragen können.
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Integration auf Schwedisch
Die Umbenennung lief problemlos. Im Dezember letzten Jahres stellte er den Antrag beim zuständigen Finanzamt und drei Monate später folgte die Genehmigung. Seit März dieses Jahres heißt Olaf Thomas nun Åke Bengtsson. Ein einschneidendes Ereignis, denn von diesem Moment an lebte er nicht nur in Schweden, er fühlt sich auch wie einer. „Als ich meine neue ID-Kort mit meinem schwedischen Namen in den Händen hielt, wusste ich, dass ich wirklich in Schweden angekommen bin.“
Natürlich meldete er sich anfangs aus reiner Gewohnheit am Telefon noch mit seinem deutschen Namen. Logischerweise musste er auch seinen deutschen Kunden eine Erklärung geben. Die schwedischen Nachbarn und neu gewonnenen Freunde hingegen machten keine große Sache draus. An den neuen Namen gewöhnten sie sich sogar schneller als Åke selbst. „Als wir in der Gemeinde am 30. April Walpurgisnacht am Lagerfeuer feierten, kam eine Frau auf mich zu und fragte: Är det du so är Åke Bengtsson? Was so viel heißt wie: Bist du Åke Bengtsson? Es hatte sich also schon herumgesprochen und etwas überrascht wurde mir bewusst: Ja, der bin ich tatsächlich.“
Positive Effekte für das neue Leben
Voller Begeisterung erklärt mir Åke, was diese simple Maßnahme bei ihm bewirkt: „Neulich sprach mich ein Schwede an und fragte, aus welcher Region ich komme, ich hätte so einen netten Akzent. Da wurde mir klar, der sieht mich nicht als Deutscher, der nicht gut schwedisch sprechen kann, sondern als Einheimischer mit Dialekt.“ Das verdankt er seinem neuen Namen, davon ist Åke vollkommen überzeugt. Er nimmt es als Motivation, seine Sprachkenntnisse zu intensivieren und freut sich schon auf 2020, wenn er nach den obligatorischen fünf Jahren Wartezeit auf Antrag seine schwedische Staatsbürgerschaft erhält.
Was die Schweden gegen Diskriminierung durch Namen tun
Dass man in Schweden seinen ausländischen Namen an die schwedische Sprache anpassen kann, ist nicht neu. So wäre im Fall von Olaf ein Olof (gesprochen Uluf) möglich gewesen, weil die Schweden den Namen Olaf in der Schreibweise nicht kennen. Auch bei den Nachnamen boten die Schweden im Rahmen der Anti-Diskriminierung bereits eine Auswahl schwedisch klingender Nachnamen wie Bergström oder Lundqvist an. Nachdem aber in Studien belegt werden konnte, dass sich selbst solche Namen im Vergleich zu traditionellen schwedischen Familiennamen nachteilig auswirken, zum Beispiel bei Bewerbungsgesprächen, reichten die Betroffenen Klage ein. Das führte zur aktuellen Gesetzesänderung.
Neu ist jetzt, dass Einwanderer nun auch echte schwedische Nachnamen wie Svensson, Lindgren oder Jarl annehmen dürfen. Einzige Voraussetzung: Der Antragsteller muss volljährig sein und die Nachnamen müssen von mindestens 2000 Menschen verwendet werden, so dass der Namensschutz entfällt. Die zuständige schwedische Steuerbehörde setzt sogar noch einen drauf. Hast du ein Mal einen neuen Namen gewählt, ist das nicht in Stein gemeißelt, denn der Vor- und Nachname kann mehrfach geändert werden.
Herr Bengtsson aus Schweden
Bei Åke’s neuem Nachnamen Bengtsson war das überhaupt kein Problem. Den gibt es nämlich 38.000 Mal und ist mit Müller oder Meier in Deutschland vergleichbar. Für ca. 180 Euro Gebühr, plus ca. 25 Euro für den neuen Vornamen bekam er die gewünschte Identität. Nach der eigentlichen Auswanderung mit seiner Frau Kathleen, die nun auch schon über eine Namensänderung nachdenkt, und den drei Hunden komplettiert der neue Name seinen Integrationsprozess. „Jedes Mal, wenn ich die Post aus dem Briefkasten fische und mein schwedischer Name steht auf den Briefen, freue ich mich wie Bolle.“
Übrigens: Åke und Kathleen betreiben das Portal Projekt Nystart und geben Deutschen, die nach Schweden auswandern wollen, kostenlose Hilfestellung. Wohnen, leben, arbeiten, Kontakte zu Behörden und Schwedenkenntnisse – auf der Seite findest du super hilfreiche Tipps aus erster Hand.
Wäre die freie Namenswahl auch eine Maßnahme für Deutsche mit Migrationshintergrund, die sich wegen ihres Namens diskriminiert fühlen? Was meinst du? Oder kennst du ähnliche Beispiele in anderen Ländern?
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Kultding des Monats #November 2018
Fotos © Birgit Witt, Åke Bengtsson
Hallo Simone, es steht jetzt schon jedem frei, seinem in Deutschland geborenem Kind einen deutschen Namen zu geben, oder zumindest als Zweitname einen zu wählen. Meine Anregung dazu wurde jedoch bisher noch nie aufgegriffen von Familien muslemischen Glaubens.
Bei Familien aus dem asiatischen Bereich werden die eigenen Namen und die der Kinder automatisch unserer Phonetik angepasst, bzw deutsche Namen benutzt. So sind meine Erfahrungen.
Wie man sieht, die Schweden sind auch in diesem Bereich recht fortschrittlich.
Ich könnte mir so was auch gut in Deutschland vorstellen. Das würde bestimmt die Integration vieler erleichtern. Ich fände es toll, wenn aus Mustafa ein Michael werden würde oder aus Ayshe eine Andrea. Das bedeutet ja noch lang nicht, dass man seine Herkunft, seine Wurzeln dabei vergißt. Ich würde es auch als ein Zeichen sehen, dass man in Deutschland angekommen ist.
Liebe Anke, danke für deine Meinungsäußerung. Ich finde auch, darüber könnte man durchaus mal nachdenken. Zumindest könnte das pauschalem Schubladendenken entgegenwirken. Allerdings kann es bei Vorurteilen gegenüber fremdartigem Aussehen auch zu Verwirrung führen. Im besten Fall entsteht dann aber auch ein Dialog.