Nordland Kreuzfahrt – Teil 2

Über den Polarkreis nach Spitzbergen

Nach einer phänomenalen ersten Woche mit sonnigen Tagen in Island, steuerte die MS Deutschland durch die Grönlandsee auf den nächsten Höhepunkt meiner Nordland Kreuzfahrt zu: Spitzbergen.

Zunächst überquerten wir am 20. Juli, 22:30 Uhr Ortszeit, den Polarkreis*, was wir auf Deck 9 ausgiebig feierten. Draußen war es nach wie vor taghell und ein eisiger Wind blies durch die Polarnacht. Dick eingemummelt in Winterjacken und Decken verfolgten wir das Schauspiel der symbolischen Schlüsselübergabe durch „Neptun“ und die „Meerjungfrau“ an den Captain. Die Aktion wäre ohne den starken Wind wahrscheinlich nur halb so lustig gewesen. So aber wehten sämtliche Kostüme, Perücken und Hüte während des Showacts wild durch die Gegend. Dazu ein schönes Schnäppschen zum Aufwärmen und ein netter Plausch mit dem Kapitän, besser konnte die Stimmung im Eismeer bei meiner ersten Polarkreis-Überquerung nicht sein!

Kurz bei Jan Mayen vorbeischauen

Ob wir Jan Mayen sehen würden, war bis zuletzt nicht sicher. Die Insel, benannt nach ihrem Entdecker, einem niederländischen Walfang-Kapitän, ist nämlich häufig in Nebel gehüllt. Doch wir hatten Glück, die rund 370 Quadratkilometer große Insel, Teil des Nordatlantischen Rückens, präsentierte sich bei klarer Sicht von ihrer Schokoladenseite. Rund 550 Kilometer nordöstlich von Island und 500 Kilometer östlich von Grönland liegt sie majestätisch mitten im Nordpolarmeer.

Jan Mayen Insel

Eine ganze Stunde fuhren wir in geringem Abstand an den prächtigen Bergen entlang. Trotz der Kälte und des Windes (gefühlte 5 Grad), hielt ich es auf dem Außendeck gut aus. Erst als wir das Nordende der Jan Mayen Insel mit dem vergletscherten Beerenberg passiert hatten, lag die offene See wieder vor uns und schlagartig wehte ein eiskalter Sturm um die Ecke. Nichts wie rein in die kuschelige Wärme an Bord. Das Naturspektakel war sowieso vorbei. Vorerst…

Jan Mayen Insel vom Schiff

Blick auf den Beerenberg-Gletscher, Jan Mayen Insel

Spitzbergen für Early Birds und Whiskytrinker

…denn nach einem weiteren Seetag wartete bereits das nächste Naturschauspiel auf uns. Frühmorgens um 6:30 Uhr (23. Juli) liefen wir in den ersten Fjord von Spitzbergen ein. Der norwegische Name für die Inselgruppe lautet übrigens Svalbard, was übersetzt „kühle Küste“ bedeutet. Das passt, denn selbst im polaren Sommer steigt das Thermometer im Durchschnitt nur auf maximal 6 Grad Celcius. Zwischen den riesigen Bergen und den bizarren Gletscherformationen wurde mir so richtig bewusst, wie fragil die Natur hier ist. Und noch etwas kam mir aufeinmal in den Sinn: Niemals zuvor war ich so weit nördlich auf der Erde wie in diesem Moment. Ein magisches Gefühl!

Tempelfjord 2 Spitzbergen

Tempelfjord in Spitzbergen

Nach dieser Early Bird Aktion an Deck frühstückten wir nur kurz, denn schon kündigte die nächste Borddurchsage die Einfahrt in den sogenannten Billefjord an. Dass es neben Forschungsstationen speziell in diesem Fjord sogar menschliche Siedlungen gab und noch gibt, liegt an dem großen Kohlevorkommen auf den Inseln von Spitzbergen. Sowohl Norweger als auch Russen interessierten sich dafür und lockten Arbeiter für gutes Geld in diese trostlose und kalte Gegend.

Verlassener Bergbauort Pyramiden, Spitzbergen

Verlassener Bergbauort Pyramiden, Spitzbergen

Die Überbleibsel der russischen Orte Pyramiden oder Barentsburg erkennt man schon von weitem an den traurigen Resten kommunistischer Einheitsbauten, in denen heute kaum noch Menschen leben.

Forschung und Tourismus in Spitzbergen

Longyearbyen Ortsansicht

Longyearbyen

Am späten Nachmittag liefen wir im größten Ort auf Spitzbergen ein. Longyearbyen, benannt nach seinem Gründer, dem US-Unternehmer John Munroe Longyear, ist quasi die „Hauptstadt“ von Spitzbergen. Obwohl der Bergbau längst rückläufig ist, „boomt“ die etwa 2.700 Einwohner zählende Stadt in punkto Forschung und Tourismus. Und das, obwohl es die meiste Zeit des Jahres überwiegend dunkel und eiskalt ist. Erst letzten Winter hat eine riesige Schneelawine Häuser und Menschen unter sich begraben. Auch wenn Longyearbean für unseren Geschmack optisch eher hässlich ist, bekommt man bei einem Landgang einen kleinen Einblick in die Lebensweise der Bewohner. Statt eines Autos steht hier vor jeder Haustür ein Schneemobil. Und während bei uns Schilder vor dem bissigen Hunden warnen, wird man hier auf die mögliche Begegnung mit Eisbären hingewiesen. Warnung vor dem Eisbär_LongyearbyenApropos: Einen Eisbär haben wir für den Bruchteil einer Sekunde auf einem Gletscher gesichtet. Doch nur ein einziger Schiffsgast war auch so geistesgegenwärtig, im richtigen Moment auf den Auslöser der Kamera zu drücken. Was soll´s: Manche Dinge behält man auch ohne Beweisfoto in Erinnerung!

Gletscherknirschen im Tempelfjord

Krachende Gletscher im Tempelfjord, Spitzbergen

Der für mich absolut spektakulärste Teil dieser Spitzbergen Kreuzfahrt begann mit der Einfahrt in den sogenannten Tempelfjord. Umrahmt von schneebedeckten Bergen manövrierte der Kapitän unser Schiff im Fjord ganz nah an einen riesigen Gletscher. Nachdem die Crew geankert und den Motor ausgestellt hatte, konnten wir das Gletschereis sogar knirschen und krachen hören. Zum Höhepunkt dieses Abends (wir lagen bis Mitternacht vor Anker) holten ein paar Crew-Mitglieder im Schlauchboot einen großen Eisbrocken aus dem Meer. An Bord wurde das Eis kleingehackt und mit Whisky serviert. Auch wenn ich keine Ahnung von Whisky habe, in dieser Nacht war es das absolut Feinste, was man an Bord trinken konnte.

Whisky on the ice rocks

Spitzbergen Adé – Nordkap, wir kommen

Nach dieser (hellen) Polarnacht lag die erste Hälfte meiner Nordland Kreuzfahrt hinter mir. Ab jetzt ging die Fahrt wieder nach Süden mit Kurs auf: Nordkap und Norwegen, Teil 3 meiner Nordland Kreuzfahrt.

*Nördlicher Polarkreis wird der Breitenkreis auf 66° 33′ 55″ nördlicher Breite genannt. Ab diesem Breitengrad versinkt die Sonne im Sommer nicht mehr hinter dem Horizont. Maßgeblich dafür ist der axiale Abstand der Wendekreise vom Äquator (Schrägstellung).

Alle Fotos ©: Simone Blaschke

Reise 2016

Karte Spitzbergen