Statt online zu demonstrieren, habe ich mich am Morgen des 19. März spontan entschieden, persönlich bei der FridaysForFuture Demo in Bonn mitzumachen. Ich gebe zu, ich wollte auch sehen, wie das unter Corona-Auflagen mit Abstandhalten und Maske tragen möglich ist. Doch vor allem stelle ich mir die Frage: Klimakrise, Corona und Reisen – wie passt das zusammen?

Durch Corona verändert sich die Sicht – auch auf das Klima und Reisen

Für ein besseres Klima: In Bonn gingen am 19. März trotz Corona-Schutzauflagen hunderte FridaysForFuture-Demonstrierende auf die Straße.

Als ich zusammen mit den FridaysForFuture-Demonstrierende auf der Hofgartenwiese in Bonn stand, hielten wir uns an alle Corona-Auflagen, trugen FFP2-Masken und stellten uns anhand von Markierungspunkten jeweils in 2 Metern Abstand zueinander auf. Ich fühlte mich sicher und konnte mich dem eigentlichen Thema der Demo widmen: für unser Klima auf die Straße zu gehen. Während ich mir die Reden verschiedener Organisationen über verheerende Umweltzerstörungen anhörte und warum die Klimaziele des Pariser Abkommens ohne konsequentes politisches Handeln kaum noch aufzuhalten sind, fragte ich mich:

„Was trage ich persönlich dazu bei und wo könnte ich mehr tun?“

Zum Beispiel:

  • Verpackung und Plastik vermeiden: Gerade durch die Pandemie hat der Verpackungsmüll wieder zugenommen. Ich versuche mein Bestes, bringe auf den Wochenmarkt und in Supermärkte konsequent eigene Dosen oder Tüten mit. Leider wird mir oft gesagt: Das geht nicht. Außerdem befindet sich kein Unverpackt-Laden in meiner Nähe. Argument oder faule Ausrede?
  • Komplett auf das Auto verzichten: Ich fahre mit meinem 14 Jahre alten Hunday sowieso nur 5000 Kilometer pro Jahr, bin sonst mit dem Rad, ÖPNV und der Bahn unterwegs. Könnte ich nicht ganz auf mein Auto verzichten?
  • Auf das Tierwohl achten und vegan leben: Vegetarisch schaffe ich schon weitgehend, dann könnte ich doch auch konsequenterweise einen Schritt weitergehen. Es fällt mir aber schwer, auf echte Butter und guten Käste zu verzichten. Luxusproblem?
  • Nachhaltiger leben: Da haben mir die KIima- und Corona-Krise verdeutlicht, dass man nicht viel neu kaufen oder bestellen muss. Allerdings waren mir meine Eltern schon vorher gute Lehrmeister, weil sie die Verwertungskette bei Kleidung, Essen, Haushaltswaren und sonstigen Dingen des täglichen Lebens voll genutzt haben. Übrigens fuhren sie kein Auto, hatten noch nicht einmal einen Führerschein. Mein Geschirr oder die Tupperdosen sind fast alles Erbstücke, immer seltener kaufe ich neue Kleidung, sondern flicke oder tausche Klamotten.
Friedlich und unter Beachtung der Corona-Regeln (AHA+L) wurde bei FridaysForFuture für ein besseres Klima demonstriert – im wahrsten Sinne des Wortes.

Warum nicht auch beim Reisen umdenken?

Nicht durch die Klimakrise, sondern durch Corona kam vieles ins Rollen und hat unser Leben verändert. Warum sorgen abgestorbene Wälder für weniger Aufregung als ein Virus? Ganz einfach, weil die Bedrohung durch das Corona-Virus unmittelbar ist. Obwohl bei jedem Spaziergang das Ausmaß des Waldsterbens offensichtlicher wird, kann der Mensch nicht direkt daran sterben, am Corona-Virus schon.

Vor einem Jahr sind viele Themen sofort durch die Pandemie verdrängt worden, auch die Klimakrise. Die gesundheitliche Bedrohung machte große Angst. Dennoch sprach man bei Veranstaltungen und Reisen erst einmal nur davon, sie um ein paar Wochen oder Monate zu verschieben. Auch ich glaubte ernsthaft, meine für August geplante Südafrika-Reise noch antreten zu können. Wahnsinn, wenn ich heute zurückblicke. Zuerst kam die Hoffnung (im letzten Sommer lief es ja gut), dann die Ernüchterung (im Oktober stiegen die Zahlen wieder) und danach die Vernunft, dass es wichtigere Dinge gibt, als in dieser globalen Krisenzeit in den Urlaub zu fahren oder auf Konzerte zu gehen.

Inzwischen habe ich das Gefühl, all diese Themen poppen wieder stärker auf als zuvor, trotz oder gerade wegen der negativen Nachrichten von Mutationen, überlasteten Intensivstationen und steigender Inzidenzen. Was im ersten Moment unlogisch klingt, hat mit der Anpassungsfähigkeit von Lebewesen zu tun:  Man hat sich an die Bedrohung gewöhnt und nimmt sie anders wahr.

Das Bedürfnis nach Normalität ist für Menschen essentiell. Dazu gehört in unserer Gesellschaft auch das Reisen. Laut einer Umfrage aus 2020 von Tourlane.de räumen 85 Prozent der Deutschen dem Reisen einen besonders hohen Stellenwert ein. Die Sehnsucht zu verreisen nimmt bei den meisten Menschen zu, je länger die Pandemie anhält. Und nicht jeder kann aus Vernunftgründen widerstehen, wie die Oster-Reisewelle nach Mallorca (Quelle) gezeigt hat.

Reise als Besonderheit (wieder)erkennen

Auch ich möchte in Zukunft nicht auf das Reisen verzichten, gleichzeitig aber mein Bewusstsein schärfen, dass Verreisen etwas Besonderes ist. Vielleicht geht es dir wie mir und die Klima-Thematik hat bereits deine Einstellung zum Reisen verändert – zusammen mit der Corona-Krise umso mehr? Die Auswirkungen bei mir sind:

  1. Ich freue mich über meine zahlreichen vergangenen Reisen noch einmal mehr, gerade weil mir jetzt die Hände gebunden sind.
  2. Ich schaue mir viel öfter Fotos von meinen Reisen an, zum Beispiel als ich Weihnachten im Garten meiner Freunde in Australien feierte, durch die kanadischen Rocky Mountains wanderte, mit einer Machete im Obstgarten einer Farm auf Hawaii Bananen erntete oder in einem Irish Pub an der irischen Westküste die Live-Musik einer Folkband genoss.
  3. Ich beschäftige mich Corona-bedingt stärker damit, wohin ich als erstes reisen möchte, sobald es wieder möglich ist.
  4. Ich überlege im Zusammenhang mit der Klimakrise viel genauer, wie ich in Zukunft verreise und mich auf meine Reisen vorbereite.

Klimafreundlich reisen – geht das überhaupt?

Meine Antwort lautet ganz klar: Jein. Natürlich ist für ein ausgewogenes Klima jedwede Umweltschädigung schlecht. Das bedeutet Verzicht in ganzer Linie. Und das wiederum funktioniert de facto nicht. Doch wenn ich zum Beispiel entscheide, anstelle des Autos die Bahn zum Reiseziel zu nehmen, trage ich dann nicht schon dazu bei, klimafreundlicher zu verreisen?

Und was ist, wenn ich in meinem Alltag generell auf das Auto verzichte und nur 1 Mal im Jahr fliege? Sozusagen als Kompensation? Faule Ausrede oder in Ordnung?

Die Ergebnisse meiner Recherche im Internet zu „Klimafreundlich reisen“ bringen mich zu Atmosfair.de oder Globalcitizen.org. Dort erfahre ich mehr über CO2-Kompensationsmodelle und erhalte Tipps, wie ich alternativ zum Fliegen ans Reiseziel komme. Auch hier frage ich mich: Dient das nur, um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen oder animiert das zum Umdenken? Darauf gibt es wieder keine pauschale Antwort. Ich sehe das so: Dass ich mich mit dieser Frage beschäftige, zeigt, dass mir die negativen Klimaveränderungen nicht egal sind. Ein erster Schritt immerhin, dem noch viele folgen (müssen).

Lese-Tipps zum Thema „Klimafreundlich reisen“

Folgende weiterführende Links und Artikel habe ich gefunden, die sich mit dem Thema beschäftigen:

Reisen und Urlaub ist ein Unterschied

Mir geht es zurzeit so: Die Klimakrise, das Arten- und Waldsterben und daraus resultierende teils dramatische Veränderungen der Natur beschäftigen mich sehr.

Dennoch möchte ich weiterhin verreisen, denn ich bin davon überzeugt, dass Reisen meinen Horizont erweitert, mich aus der Komfortzone herausholt und ich unglaublich viel von Kulturen, Landschaften und Menschen in anderen Regionen und Ländern dieser Welt erfahren und lernen kann. Gleichzeitig weiß ich bei allem Schönen, das ich entdecke und erlebe, das es überall eine Kehrseite der Medaille gibt. Deshalb laufe ich nicht nur durch Prachtstraßen, sondern schaue auch in weniger hübsche Ecken einer Stadt, mir fallen Umweltsünden, Obdachlosigkeit und Armut auf. Auch das gehört zum Reisen, im Gegensatz zum Urlaub.

Ich persönlich finde nämlich, darin liegt ein Unterschied. Urlaub mache ich, wenn ich eine Woche im Wellness-Hotel buche. Auch das ist schön. Reisen bedeutet für mich mehr: Entdecken, mich treiben lassen, von einem Ort zum nächsten fahren, ohne genau zu wissen, was auf mich zukommt.

Außerdem lasse ich mich in der Reiseblogger-Communitiy inspirieren, um den Sinn des Reisens zu intensivieren. Die Reisebloggerin Sabine hatte kürzlich die tolle Idee zu einem Beitrag über „Reisen und Gutes tun“ auf ihrem Blog Ferngehweht. Darin fasst sie das Engagement von 12 Reiseblogger:innen für Hilfsorganisationen in den unterschiedlichsten Ländern der Welt, von Pakistan, Äthiopien bis Südafrika, zusammen.

Dazu passt ein Interview mit der Ethnologie-Professorin Eveline Dürr von der Ludwig-Maximilians-Universität München auf die Frage, warum immer mehr Menschen im Urlaub Gutes tun wollen und sich für Freiwilligenarbeit im Ausland entscheiden. Hier geht´s zum kompletten Interview mit Links zu Anbietern von Freiwilligendiensten.

Die nächste Reise kommt bestimmt

Mein ganz persönlicher Eindruck momentan ist: Auch wenn die meisten (wie ich) schon mit den Hufen scharren, sind sie doch vernünftig und halten sich an Empfehlungen, zu Hause zu bleiben bzw. keine Reisen in Risikogebiete zu unternehmen. Doch die Ungeduld wächst, während die Ansteckungen durch Corona-Mutanten in die Höhe schnellen.

Abgesehen davon gibt es die Klimakrise schon länger und zeigt, dass alles zusammenhängt und nicht einzeln betrachtet werden sollte. Genau das tun aber die Experten (Bedeutung: eine Person, die über überdurchschnittlich umfangreiches Wissen auf einem Fachgebiet [..] verfügt). Weshalb ich der Meinung bin, nur wenn man unterschiedliche Experten zusammen mit verschiedenen Interessenvertrer:innen an einen Tisch bringt, ganz gleich, um welche Krise es sich handelt, kommen wir voran. Es bleibt schwierig und ich habe auch keine Lösung parat. Darüber nachdenken ist aber schon mal ein Anfang.

Was glaubst du, passen Klimakrise, Corona und Reisen zusammen? Worauf achtest du beim Reisen?

Ich bin auf deinen Kommentar gespannt!

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Kultding des Monats #März 2021
Fotos © Simone Blaschke