Dass sich der Wald in Deutschland in einem kritischen Zustand befindet, ist bekannt. Aber wusstest du, dass bereits zwischen 80 und 90 Prozent der Fichten, Eichen und Buchen ernsthaft bedroht sind und große Teile schon abgestorben sind? In dieser Woche wurde der aktuelle Waldzustandsbericht veröffentlicht und mich haben die Zahlen so geschockt, dass ich diese Ausgabe „Kultding des Monats“ dem Thema Wald widme.

Ich glaub, ich steh im Wald – aber vielleicht nicht mehr lange

Ohne meine täglichen Ausflüge in die Natur hätte ich die Corona-Pandemie mit den daraus resultierenden Schließungen, Reisebeschränkungen und Lockdowns bis jetzt niemals durchgestanden. Damit bin ich nicht alleine, nie zuvor waren so viele Menschen draußen unterwegs wie in den letzten Monaten. Sie gehen spazieren, wandern, fahren Rad, joggen oder laufen mit ihren Kindern durch den Wald. Die heimischen Wälder bieten jetzt ein wenig Freiheit, die sonst so eingeschränkt ist. Der Wald gibt uns so viel und gleichzeitig ist er extrem bedroht.

Aktueller Waldzustandsbericht in dieser Woche veröffentlicht

In dieser Woche wurde der aktuelle Waldzustandsbericht vom zuständigen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorgelegt. In diesem Zusammenhang veröffentlichte das Fachmedium „agrarheute“ (Deutscher Landwirtschaftsverlag):

Vier von fünf Bäumen haben lichte Kronen [,,]. Die Anzahl der begutachteten Bäume, die abgestorben sind, erreichte einen neuen Rekordwert. In den letzten drei Jahren führten die Schäden dazu, dass insgesamt 277.000 Hektar* wiederaufgeforstet werden müssen. [,,] 171 Millionen Kubikmeter beträgt derzeit die Schadholzmenge in Deutschland.

Quelle: Agrarheute (*laut BMEL sogar 285.000 ha)

Seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1984 war der Zustand des Waldes nie schlechter. Von lichten Kronen betroffen sind:

  • 79 Prozent der Fichten
  • 80 Prozent der Kiefern
  • 80 Prozent der Eichen
  • 89 Prozent der Buchen

Das ist krass. Ich wusste zwar, dass es nicht gut um den deutschen Wald bestellt ist, aber dass es schon so schlimm ist, macht mich fassungslos.

Dürre, Borkenkäfer und mangelnde Vorausschau

Als Ursache für das großflächige Baumsterben in den letzten Jahren nennen Waldexperten wie Professor Michael Müller, Institut für Waldbau und Waldschutz der TU Dresden, die Kopplung von drei Faktoren: Zunächst häuften sich starke Stürme, die Bäume knickten um und waren damit leichte Beute für die Borkenkäfer. Dazu kamen drei aufeinanderfolgende Dürrejahre (2018-2020). So konnte sich der Borkenkäfer unkontrolliert ausbreiten. Aber auch Schädlinge wie der Buchdrucker bzw. Kupferstecher (Unterart der Borkenkäfer) traten vermehrt auf. Das alles in Kombination führte zum Absterben riesiger Waldflächen.     

Baumstämme mit minderwertiger Qualität, wie hier in der Gifhorner Heide (Foto Kultreiseblog)
Typischer Anblick seit mindestens einem Jahr: Gefällte Bäume von minderwertiger Qualität, weil der Borkenkäfer zugeschlagen hat.

Die staatliche Forstwirtschaft und private Waldbesitzer kommen mit der Bekämpfung längst nicht mehr hinterher und können nur noch Schadensbegrenzung versuchen, in dem sie vor allem die kranken Bäume fällen. Beispiel Niedersachsen: „Die Schadfläche von etwa 10.000 Hektar Größe, die bereits in den Jahren 2018 und 2019 entstanden ist, hat sich im Jahr 2020 um bisher schätzungsweise 3.500 Hektar vergrößert“, so ein Sprecher der niedersächsischen Landesforsten in Braunschweig. (Quelle: ZDF)

Während die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner in dieser Woche die staatlichen Hilfen zur Wiederaufforstung von insgesamt 1,5 Mrd. Euro als größtes Unterstützungsprogramm in der Geschichte hervorhob, entgegnen Kritiker, dass die Politik viel zu oft erst reagiert, wenn es zu spät ist.

Obwohl viele Bäume noch grün und gesund aussehen, sind sie nämlich schon abgestorben. Denn in tausenden Bäumen fressen sich Borkenkäfer unter der Rinde unkontrolliert durch. Andreas Eschweiler, Forstrevier-Leiter in der Oberlausitz erläutert in dem sehenswerten Bericht auf 3SAT „Hitze, Stürme, Käferplage“, der diese Woche lief und noch bis zum 21.09.2021 in der Mediathek verfügbar ist, dass im Moment die Vermehrung komplett aus dem Ruder läuft und auf den Bäumen ein permanenter Druck liegt.

Stress für den Wald und was man dagegen tun kann

Viele Fachleute sagen, dass wir erst am Anfang der Katastrophe stehen. Die Schadholzmenge ist in den letzten 5 Jahren um das Fünffache gestiegen. Das Waldsterben hat sich inzwischen auf 250.000 Hektar ausgebreitet (Quelle: BMEL). Das entspricht der Fläche des Saarlandes

Die Ursache für das großflächige Waldsterben in Deutschland ist aber nicht nur klimatisch und in der Folge durch Schädlingsbefall der Bäume bedingt. Die vom Menschen erschaffene Monokultur vor allem bei den Nadelhölzern wie Fichten und Kiefern bietet überhaupt erst den Nährboden für das extreme Baumsterben. Vielleicht ist dir auf Aussichtspunkten oder Luftaufnahmen mit Blick auf geschädigte Wälder schon mal aufgefallen, wie krass man die Grenze zwischen reinen Fichtenwäldern und Mischwäldern farblich erkennen kann? Während die Monokultur-Flächen mit den abgestorbenen Fichtenstümpfen ohne Nadeln komplett grau erscheinen, ist der Laubwald direkt daneben oft noch satt grün.

Waldsterben im Harz in der Nähe der Rappbodetalsperre (Foto Kultreiseblog)
Auf diesem Foto im Harz in der Nähe der Rappbodetalsperre sieht man deutlich die Abgrenzung zwischen den grauen, abgestorbenen Fichten und den grünen Laubmischwäldern. (Aufnahme: Sommer 2020)

Eigentlich wäre die Sache ganz einfach: Vielfalt statt Monotonie

So lautet die Lösung gegen das Waldsterben, die aber nicht neu ist. Auch schon Anfang des letzten Jahrhunderts wusste man das. Dagegen standen ökonomische Argumente, denn die Waldbesitzer wollen oder müssen gleichzeitig Geld durch den Holzverkauf verdienen, um den Wald zu bewirtschaften und Neuanpflanzungen zu finanzieren. Wer die Herausforderung annimmt, den Wald zu einer resistenteren Mischbewaldung zurückzuführen, braucht Zeit, viel Zeit. Die Umstellung dauert bis zu 100 Jahre. Dafür gibt es schon seit den 1980er Jahren sogenannte Waldumbauprogramme. Das sind forstwirtschaftliche Maßnahmen zur besseren Verteilung von Baumarten und Altersklassen, die aber auch auf den ökologischen und ökonomischen Kreislauf ausgerichtet sind. Der fortschreitende Klimawandel und seine Folgen bringen diesen Kreislauf aber ziemlich durcheinander. Die notwendige Zeit für den Waldumbau steht nicht mehr zur Verfügung.

Vielfalt (rechts) statt Monokultur (links) ist der beste Schutz für den Wald.

Wald schützen und stärken: Was können wir tun?

Nachdem ich all diese Fakten zusammengetragen habe, wollte ich wissen, was du und ich konkret tun können, um dem Waldsterben entgegenzuwirken. Auch wenn es nur Kleinigkeiten sind, irgendetwas möchte ich tun.

Bei meinen Recherchen mit den Suchworten „Waldsterben“ oder „Wald schützen“ bin ich unter anderem auf der Webseite von Ökotest gelandet. Dort habe ich zunächst interessante Informationen zum persönlichen Holzverbrauch gefunden: Demnach verbraucht jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr rund 1,5 Kubikmeter Holz. Holz steckt in Post-it-Zetteln, Briefumschlägen, dem Holz-Schneidebrett in der Küche oder den zahllosen Paket-Verpackungen. Und natürlich steckt auch im Haus allerhand Holz, vom Dachstuhl über Fensterrahmen, Parkett bis zu den Möbeln. All diese Dinge fließen in die Statistik ein. Dafür wird pro Kopf im Jahr ungefähr ein Baum gebraucht. (Quelle: Ökotest)

Hört sich zunächst ja nicht so viel an. Doch rechne mal hoch: Bei 83 Millionen Einwohnern in Deutschland ist das jede Menge Holz (Sorry, aber den Spruch musste ich noch bringen ;-)

Diese riesige Menge Bäume stammt nicht nur aus Deutschland, sondern aus aller Herren Länder, darunter Skandinavien, Russland, Indonesien und Brasilien. Abgesehen davon, dass hinlänglich bekannt ist, dass riesige Rodungsflächen für neue Monokulturen wie Soja oder Palmöl, genutzt werden, kommt noch der Transport nach Deutschland hinzu. Bedeutet also weitere Umweltbelastungen und CO2-Ausstoß.

Wissen wir ja alles, denkst du jetzt vermutlich genau wie ich. Aber gibt es nicht irgend eine Möglichkeit, wie ich darauf Einfluss nehmen kann?

Tipps von Umwelt- und Naturschutzverbänden

Natur- und Umweltschutzverbände wie der BUND oder Nabu erklären, dass man schon mit kleinen alltäglichen Veränderungen dazu beitragen kann, unnötige Rodungen und hohen Holzverbrauch zu vermeiden und insgesamt bessere Umwelt- und Klimabedingungen zu schaffen. Zum Beispiel, wenn wir:

  • Holz effektiver nutzen 
  • Sparsamer mit Papier umgehen
  • Auf Recyclingprodukte setzen
  • Mehr Gemüse statt Fleisch essen 
  • Weniger Lebensmittel wegwerfen 
  • Strom sparen und Stromverbrauch kontrollieren, denn Jede Kilowattstunde Strom setzt Schwefeldioxid und Stickoxide frei
  • Öfter zu Fuß gehen, Radfahren, ÖPNV nutzen. Wenn man nicht auf das Auto verzichten kann, dann Tempo 80/100 fahren. Das Umweltbundesamt hat errechnet, dass bei Tempo 100 statt 130 die Kohlenwasserstoffe um 16%, die Stickoxide um 40% und das Kohlenmonoxid gar um 56% reduziert werden.

Im Grunde ziemlich einfach umzusetzende Verhaltensweisen, die viele ohnehin schon im Kampf gegen den Klimawandel berücksichtigen. Doch durch das Waldsterben rückt das Thema direkt vor die eigene Haustür und das möchte ich mir noch einmal bewusst machen:

Ich möchte  – auch unabhängig von Reisebeschränkungen in Pandemiezeiten – noch viele Jahre durch einen Wald spazieren und mich an der Vielfalt der Natur erfreuen können. Egal, ob das der kleine Wald in der Nähe meines Wohnorts, im Harz oder in den Wäldern Kanadas ist, die Veränderungen sind deutlich und machen nicht vor den Landesgrenzen Halt. Tatsache ist: Den Wald, wie wir ihn bisher wahrgenommen und gekannt haben, gibt es in den nächsten Dekaden nicht mehr. Aber wenn schon anders, dann wenigstens im positiven Sinn!

Glücklich im Wald (Foto Kultreiseblog)
So glücklich möchte ich auch in Zukunft duch den (gesunden) Wald spazieren.

Bäume pflanzen – wie man sich dafür einsetzen kann

Es gibt schon einige Möglichkeiten, wir wir einen kleinen Beitrag zu einer positiven Veränderungen des Waldbildes leisten können. Vielleicht ist auch für dich eine (neue) Anregung dabei:

  • Ecosia – Suchmaschine, die für jede Suche einen Baum pflanzt
  • Tentree – Für jedes verkaufte Kleidungsstück wird ein Baum gepflanzt
  • Eden Reforestration – Einer der mittlerweile größten Wohltätigkeitsorganisationen fürs Bäume pflanzen, bereits ab einem Dollar sind Sie dabei
  • Nabu – Waldpatenschaft verschenken mit dem Deutschen Naturschutzbund
  • F3 Life – Fördert Kredite für kleine Bauern weltweit und hat damit den United Nations Development Award gewonnen
  • Biocarbon Engineering – Entwickelt neue Technologien, um weit flächiges Bäume pflanzen zu ermöglichen z.B. mit Dronen
  • Travel & Tree (Reiseplanerin pflanzt Bäume in Tansania)
  • WordPress Hoster Raidboxes arbeitet mit Ökostrom und pflanzt Bäume (Tipp von Nicole, s. Kommentare)

Hier die Liste meiner Quellen und weitere Links zum Thema „Wald“:

Baum Zeichnung von Petra Kirschke
Zeichnung: Petra Kirschke

Zum Schluss noch eine Anekdote, die nicht besser hätte passen können. Während ich heute meinen Blogbeitrag zu Ende schrieb, entdeckte ich zufällig diese Zeichnung in meiner Sketchnotes-Community auf Facebook. Dazu muss ich kurz erklären, dass ich seit neuestem mit vielen tollen Frauen in einem Webinar zusammen zeichne. Sofort schrieb ich die Urheberin Petra Kirschke an und fragte, ob ich ihre Zeichnung für meinen Blogbeitrag verwendet darf. Sie sagte direkt ja und so endet dieser Beitrag über Bäume und Wälder mit einem wahren Spruch über Vielfalt: „Der krumme Baum lebt sein Leben, der gerade wird ein Brett.“ Danke, Petra!

Wenn du Tipps, Artikel oder Links für mich hast, die sich mit dem Thema Waldschutz beschäftigen, schreibe mir bitte unbedingt. Über jeden konstruktiven und wohlwollenden Kommentar freue ich mich sehr!

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Kultding des Monats #Februar 2021
Fotos © Simone Blaschke