Berlin, Hamburg, München, die üblichen Verdächtigen habe ich längst mehrfach besucht. Kleinere Städte wie Flensburg oder Erfurt stehen noch auf meiner Liste, aber Bremerhaven? Die Stadt an der Weser hatte ich ehrlich gesagt bisher noch nicht auf dem Schirm. Bis zu diesem Sommer.

Bremerhaven Sightseeingtour vor dem Start meiner Kreuzfahrt

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Spektakulärer Sonnenuntergang mit Hafenkulisse von Bremerhaven.

Der Grund für mein „Blind date“ mit Bremerhaven ist einfach erklärt. Meine Nordland-Kreuzfahrt startete von dort aus. Weil ich nicht erst kurz vor dem Boarding ankommen wollte, stieg ich am Vortag meiner Schiffsreise nach Island, Spitzbergen und Norwegen in den Zug von Bonn nach Bremerhaven. Schön gemütlich anreisen und in einem kleinen Hotel in Bahnhofsnähe übernachten. Nach der Ankunft einfach mal loslaufen und irgendwo nett zu Abend essen. Das war der Plan.

Der Empfang war spektakulär: Gerade als ich ankam, tauchte ein prächtiger Sonnenuntergang die Hafenpromenade in tiefes Orange. Wie es sich für eine Stadt mit dem Spitznamen „Tor zur Nordsee“ gehört, blies mir eine ordentliche Brise Wind um die Ohren, als ich am Deich entlang lief. Dort befinden sich die sogenannten Havenwelten mit dem Museumshafen, dem Klimahaus Bremerhaven 8° Ost und dem Deutschen Auswandererhaus. Genau das pickte ich mir für einen ausführlichen Besuch am  nächsten Vormittag heraus.

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Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven

Deutsches Auswandererhaus – Thema Migration wieder aktuell

Das Deutsche Auswandererhaus. Davon hatte ich gehört. Vertiefend nachgefragt, was mich dort erwartet, habe ich aber erst letztes Jahr. Bei einem Blog-Camp zum Thema Reise und Mobilität lernte ich Dörte Behrmann kennen. Dörte kommt aus Bremerhaven und arbeitet genau wie ich als PR-Frau und Bloggerin. Zwischenzeitlich übernahm sie den Posten der Pressereferentin beim Tourismus Marketing Bremerhaven. Wer sonst hätte mir überzeugender vom Deutschen Auswandererhaus in Ihrer Heimatstadt vorschwärmen können als Dörte?

Also war klar: Da musste ich rein. Am Eingang traf ich Ilka Seer von der Pressestelle. Sie erläuterte mir die Idee, im Auswandererhaus das Thema Migration erlebbar zu machen. Die Flucht vor dem Krieg, die Vertreibung anders Denkender. Das waren schon vor mehr als hundert Jahren die Gründe dafür, dass sich zig tausend Deutsche auf den Weg in ein völlig fremdes Land machten, ohne die Sprache oder Kultur zu kennen. Kommt mir irgendwie bekannt vor! Nur dass heute Deutschland das „Land der Träume“ ist.

Auswanderung Anno 1907

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„Erlebnis“ Auswanderung vor 100 Jahren

Was soll ich sagen? Wenn man interaktiv miterlebt, wie deutsche Flüchtlinge ihre Heimat verlassen mussten, das macht schon was mit einem. Mir jedenfalls wurden beim Rundgang durch das Deutsche Auswandererhaus die Not und Verzweiflung, die Entbehrungen und die Hoffnung auf ein neues, freies Leben dieser Menschen sehr deutlich vor Augen geführt. Besonders, weil ich anhand eines Audioguidings die persönliche Geschichte eines einzelnen Flüchtlingsschicksals mitverfolgen konnte.

Auswanderung Anno 1907: Ich stehe zwischen Frauen, Männern, Kindern und alten Leuten an der Pier. Ich steige die Gangway hinauf an Bord des Schiffes, das die Auswanderer ins gelobte Land Amerika bringen soll. In der authentischen Kulisse erfahre ich, unter welchen Umständen die Menschen der Arbeiterklasse während der wochenlangen Überfahrt unter Deck des Schiffes ausharren müssen. Eingepfercht zwischen Vorräten und allerhand Viehzeug. Schlafen in Massenunterkünften auf harten Pritschen, ohne Fenster und sanitäre Anlagen. Währenddessen leisteten sich die wohlhabenden Migranten der 1. Klasse in den oberen Decks den bestmöglichen Luxus.

Kranke und Arme wurden einfach wieder abgeschoben

Ich stehe in der Schlange der Wartenden, die auf Ellis Island ankommen. Die Skyline von New York City liegt schon zum Greifen nah. Doch ich werde, genau wie die Menschen damals, in die mit Gitterstäben abgegrenzte Wartezone geschoben. Dort, wo sie auf das lang ersehnte „OK“ der Behörden warteten. Ich erfahre, dass nach all den Strapazen der Überfahrt diejenigen, die nicht mehr gut zu Fuß, geschwächt, krank und ausgelaugt sind, durch die US-amerikanischen Ärzte aussortiert wurden. Gleiches gilt für diejenigen, die eine nur wenige Minuten dauernde Befragung falsch beantworteten. Sie alle konnten direkt wieder die Rückreise antreten. So sah es das US-amerikanische Einwanderungsgesetz von 1891 vor, um Kranke und Arme schnell wieder abzuweisen. Für den Rücktransport mussten die Reedereien aufkommen. In der Folgezeit wurden Auswanderer bereits in ihrem Heimatland untersucht. Bei negativem Ergebnis ließ man sie erst gar nicht an Bord.

Nächstes Mal ins Klimahaus

Zu den Havenwelten Bremerhaven direkt am Deich gehört auch das Klimahaus Bremerhaven 8° Ost. Das werde ich beim nächsten Mal besuchen.

Warst du auch schon in Bremerhaven? Was hat dir am besten gefallen? Ich freue mich auf deinen Kommentar und weitere Tipps für das nächste Mal!

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Klimahaus Havenwelten Bremerhaven

Alle Fotos ©: Simone Blaschke

Reise 2016