Atlantik-Kanada im Osten von Kanada

Kanada gehört zu meinen liebsten Reiseländern. Den Westen Kanadas, die Provinzen British Columbia und Alberta, habe ich schon ein paar Mal bereist. Die Hauptattraktionen dieser kanadischen Provinzen, darunter die Rocky Mountains und Vancouver Island liebe ich besonders. Im Osten war ich bisher noch nicht. Im Sommer 2015 starteten mein Freund und ich eine knapp 4-wöchige Reise in die östlichen Provinzen Nova Scotia, Prince Edward Island und New Brunswick, das sogenannte Atlantik-Kanada.

Nova Scotia Map big

Von Halifax nach Cape Breton durch Schlaglöcher und Nebelbänke

Nach 7 Flugstunden landeten wir in Halifax, der Provinzhauptstadt von Nova Scotia. Am nächsten Tag starteten wir unsere Tour mit dem Mietwagen  entlang der Südküste von Dartmouth bei Halifax auf dem Marine Drive rund 300 Kilometer Richtung Osten. Anfangs kamen uns noch vergleichsweise viele Autos entgegen. Doch das änderte sich, je weiter wir nach Osten fuhren. Warum wir irgendwann fast alleine auf der Piste waren und die meisten Touristen und Einheimischen den wesentlich kürzeren und bequemeren Weg durch die Inselmitte wählten, wurde uns schnell klar. Längsrisse in der Fahrbahn, aus denen schon das Gras wächst, Schlaglöcher so groß, dass ein 5-Liter-Bierfass reinpasst und Spurrillen so tief wie eine Duschwanne – hinter jeder Straßenkuppe lauerte eine neue „Gefahr“. Überraschend wechselhaft war auch das Wetter in dieser Gegend.

In einem Moment schien die Sonne knallig heiß vom Himmel, in der nächsten Minute versperrten dichte Nebelschwaden die Sicht und die Temperaturen fielen in den Keller. Ich war permanent damit beschäftigt, die Sonnenbrille auf- und abzusetzen und parallel dazu die Klimaanlage ein- und auszuschalten. Erschöpft, aber glücklich landeten wir in der Abenddämmerung wie geplant in unserem Übernachtungsziel in Charlos Cove (am äußersten Südostzipfel kurz vor Cape Breton).

Nach Cape Breton Island auf dem Trans-Canada-Highway

Unser nächstes Etappenziel hieß Cape Breton Island. Der „Canso Causeway“, ein zwei Kilometer langer Damm, verbindet das „Festland“ mit der Insel. Er ist außerdem ein Teilstück des Trans-Canada Highway, der alle 10 kanadischen Provinzen über eine Gesamtstrecke von rund 8.000 Kilometer verbindet.

Cape Breton Island nimmt etwa ein Drittel der 55.000 km2 Gesamtfläche von Nova Scotia ein und besticht durch eine interessante Mischung aus Felsenküsten, Bergen, Tälern, Flüssen und Seen. Einer davon ist der Bras d´Or Lake. Für drei Nächte quartierten wir uns in einem süßen Hotel im idyllischen Örtchen Baddeck ein. Baddeck ist ein empfehlenswerter Startpunkt, um Cape Breton Island und später noch das spektakuläre Hochland am äußersten Ende des St. Lorenz Golf zu erkunden.

Boote auf dem Bras dOr Lake

Mein erster Lobster in Nova Scotia

Die maritime Seite von Nova Scotia ist überall präsent. Leuchttürme und Boote, wohin das Auge blickt. In allen östlichen Provinzen Kanadas lebt man vom und mit dem Meer. Weshalb speziell Nova Scotia als Hochburg für Lobster gilt. Logisch, dass wir uns das Vergnügen, einen frischen Hummer eigenhändig auseinander zu nehmen, gleich zu Beginn der Reise nicht entgehen ließen. Die Idee, eine einheimische Servicekraft in unserem Hotel zu fragen, erwies sich als genial. In das etwas abgelegene, einfache Lobster Suppers in Baddeck gehen vor allem Einheimische essen. Jolene, unsere freundliche Bedienung („Hi, I´m Jolene and I´m your waitress for today.“) erklärte uns genau, wie wir den Lobster richtig zerlegen und welches Fleisch man davon essen kann. Wir waren begeistert, vom Lokal und vom Geschmack sowieso.

Hummer essen in Baddeck

Gälisch und arkadisch – Sprachenmix ist in Nova Scotia normal

Vom Bras d’Or Lake, wo übrigens Alexander Graham Bell, der Erfinder des Telefons gelebt hat, fuhren wir rund 90 Kilometer quer rüber zur Westküste des Eilands, nach Cheticamp.

Cheticamp Ortsschild zweisprachigChetikamp ist die Hochburg der sogenannten Arkadier (Arcadians), die von den französischen Einwanderern (aus der Bretagne und Normandie) abstammen und schon lange vor den Engländern bzw. Schotten in dieser Gegend lebten. Es ist ein ganz eigenes Völkchen, das man vor allem an seinem komischen Dialekt erkennt, einer Mischung aus Französisch mit englischem Slang. Selbst wenn du glaubst, du bist sprachgewandt. Einen Arkadier zu verstehen, ist so gut wie unmöglich! Mein Schul-Französisch hat zwar ausgereicht, um in einer kleinen Bäckerei einen Blueberry-Scone mit Kaffee zu bestellen. An der Antwort bin ich aber schlichtweg gescheitert. Stellt euch einfach vor, ein Kölner, deutsch-türkischer Abstammung, redet einen Mix aus Kölsch-Deutsch-Türkisch. Immerhin gibt es in allen Restaurants zweisprachige Speisekarten und das erleichtert die Verständigung ungemein.

Auf dem Cabot Trail durch das Hochland

Der etwa 3000 Einwohner-Ort Cheticamp ist sozusagen das Eingangstor zum Cape Breton Highland Nationalpark und eine der letzten größeren Siedlungen an der Westküste der Insel. Für das Hochland solltest du mindestens zwei Tage Zeit einplanen. Schon allein die Fahrt auf dem weltbekannten Cabot Trail, der atemberaubend schönen Straße, die sich oberhalb der Meeresküste an den Bergen durch tausende Hektar Wald pflügt, ist die gesamte Reise nach Nova Scotia wert. Cabot Trail im Regen

Am ersten Tag auf dem Trail überraschte uns ein ungeheures Gewitter mit grollendem Donner, stundenlangen Blitzen und sturzbachartigem Starkregen. Zum Teil war die Sicht gleich Null und wir legten einen Stopp ein, um in einer Parkbucht abzuwarten, bis der Regen nachließ. Selbst dieser Situation konnten wir noch etwas Schönes abgewinnen. Schließlich standen wir mitten in einer spektakulären Naturlandschaft.

Bis zum nördlichsten Ende von Nova Scotia

Campground Meat Cove

In den nächsten Tagen strahlte die Sonne vom Himmel und wir erlebten, warum diese Gegend für ihre tollen Wanderwege bekannt ist, darunter der Skyline Trail mit grandioser Aussicht auf das Meer. Schotterstraße Meat CoveEiner meiner Highlights wardie Fahrt zum nördlichsten Ende der Insel nach Meat Cove. Zum Schluss ist die Strecke mit dem Mietwagen zwar etwas abenteuerlich (wegen der vorherigen Unwetter sind die Schotterstraßen total ausgewaschen), aber es lohnt sich. Hoch oben auf einem Plateau liegt ein kleiner Campingplatz mit Zugang zum eigenen Badestrand direkt am Meer. Traumhaft schön!

Nach diesen Tagen in Nova Scotia überraschte uns erst mal nichts mehr. Weder das Wetter, noch der Sprachen-Mischmasch, noch der kulinarische Mix zwischen English-Breakfast und Haute Cuisine.

Auf Cape Breton Island sind Dudelsack spielende Kerle auf offener Straße genauso normal wie von Steilklippen ins Meer springende einheimische Jugendliche (bei uns treffen sie sich im Fitnessstudio, braucht man hier offensichtlich nicht). Und zu allem die Bestätigung: Auch im Osten Kanadas trifft man an jeder Ecke offene und freundliche Menschen.

Nach einer Woche Nova Scotia kehrten wir der Atlantik-Provinz erst mal den Rücken, um Prince Edward Island kennen und lieben zu lernen und den größten Tidenhub der Welt in der Bay of Fundy vor New Brunswick zu bereisen. Davon schon bald mehr in meinem Blog.

Ihr könnt euch auch schon auf den weiteren Blog über unsere Reise in den westlichen Teil von Nova Scotia freuen. Dann geht es in den Kejimkujik National Park, wir treffen Harley-Freaks beim Motorradtreffen in Digby und sehen eine Familie Buckelwale in der Bay of Fundy.